In den Sechziger- und Siebzigerjahren war Louis de Funès hierzulande der beliebteste Komiker Frankreichs. Heute ist es Christian Clavier, und das hat er vor allem seiner Rolle in "Monsieur Claude und seine Töchter" (2014) zu verdanken.
Fast vier Millionen Deutsche amüsierten sich, wie er als Monsieur Claude über eigene rassistische Vorurteile stolpert, weil sich seine vier Töchter alle Männer mit anderer Herkunft, Hautfarbe oder Religion ausgesucht haben. Eine bissige Gesellschaftskomödie, die natürlich ausbaufähig ist, weshalb nach der Fortsetzung "Monsieur Claude 2" (2019) nun mit "Monsieur Claude und sein großes Fest" heute bereits der dritte Teil in die deutschen Kinos kommt.
Christian Clavier: "Paris ist nicht mehr das, was es mal war"
AZ: Monsieur Clavier, es heißt, Sie kommen gern nach Deutschland.
CHRISTIAN CLAVIER: Ja, aus persönlichen Gründen. Mein Stiefsohn wohnt in Berlin, und in den vier Tagen, die ich jetzt hier war, hat er mir viele Sehenswürdigkeiten wie das Brandenburger Tor und den Reichstag zeigen können. Gestern waren wir sogar in einem veganen Restaurant. Nicht schlecht, muss ich sagen. Berlin wirkt sehr jung, das mag ich sehr. Wenn ich noch 25 wäre, würde ich wahrscheinlich auch hierherziehen.
Und wie wohl fühlen Sie sich in Ihrer Geburtsstadt Paris?
Paris ist nicht mehr das, was es mal war. Architektonisch ist Paris zwar immer noch eine schöne Stadt, in der ich mit 20, 30 und 40 Jahren gern gelebt habe, aber sie hat an Dynamik verloren. Daran ist Bürgermeisterin Anne Hidalgo nicht ganz unschuldig. Sie ist unfähig für diesen Job.
Monsiuer-Claude-Fortsetzung: "Es ist immer heikel, einen dritten Teil zu drehen"
Als "Monsieur Claude" wohnen Sie in der Kleinstadt Chinon, 250 Stundenkilometer von Paris entfernt. Waren Sie Feuer und Flamme, als es heiß, wir drehen einen dritten Teil?
Es ist immer heikel, einen dritten Teil zu drehen. Aber in diesem Fall ist es den Autoren wirklich gelungen, viel Neues reinzubringen. Etwa die Schwiegereltern, die wir bisher noch nie gesehen haben, aber auch den deutschen Kunstliebhaber. Dass so viele neue Figuren hinzugekommen sind, war mir eine große Freude. Dadurch ist der dritte Teil sehr gelungen, und wie gesagt, dass ist nicht unbedingt selbstverständlich.
Wie viel Monsieur Claude steckt in Ihnen?
Einem Schauspieler wird diese Frage oft gestellt. Aber ich bin weder der Zeitreisende aus "Die Besucher" noch "Napoleon", den ich in einer Serie spielte, und ich bin auch nicht Claude Verneuil. Aber wenn jemand der Meinung ist, ich hätte sehr viel von der Rolle oder umgekehrt, dann habe ich meine Arbeit gut gemeistert.
Clavier: Von der Rolle des Monsieur Claude bleibt nicht viel hängen
Wie denken Sie über die Vorurteile von Claude Verneuil?
Ich werde die Frage beantworten, indem ich Jean Gabin zitiere. Er wurde in einem Interview mal gefragt, ob es ihm schwerfällt, Rollen wieder abzustreifen und ob er für seine Figuren etwas empfinden würde. Gabin hat einfach nur geantwortet: "Ich spüre gar nichts, bewundere aber Kollegen, denen es anders geht."
Ihre Rollen sind Ihnen gleichgültig?
So hart würde ich es nicht ausdrücken, aber wir Europäer sind doch viel zu sehr von diesem 'Method Acting' aus den USA beeinflusst. Ich muss doch nicht drei Wochen an OPs teilnehmen, nur um zu beweisen, dass ich einen Chirurgen spielen kann. Als Schauspieler muss man nichts beweisen, man spielt es einfach.
Und wie sieht es mit Vorurteilen und Klischees aus, von denen keiner wirklich frei ist?
Da braucht man sich doch nur Regisseur Philippe de Chauveron ansehen, der in seinem Leben das genaue Gegenteil ist. Natürlich ist er für eine multikulturelle Gesellschaft mit gemischten Ehen. Für mich selbst ist es am wichtigsten, dass ich meine Figur amüsant finde und Spaß daran habe, sie zu spielen und diesen Spaß auch aufs Publikum übertragen kann.
Gehen Franzosen unverfänglicher mit Rassismus um als Deutsche?
Dennoch scheint es, dass Franzosen mit Themen wie Rassismus unverfänglicher umgehen können als wir Deutschen.
Wenn Sie das so sagen, werden Sie Ihre Gründe dafür haben. Ich würde dem nicht ganz so zustimmen, weil ich erst kürzlich sehr gute deutsche Serien wie etwa "Babylon Berlin" oder "Dogs of Berlin" gesehen habe, die ziemlich offen mit solchen Themen umgegangen sind.
Sie erwähnten bereits den deutschen Kunstliebhaber im dritten Teil von "Monsieur Claude". Wie stark empfinden Sie noch die Vorurteile der Franzosen gegenüber Deutschen 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs?
Es geht im Film nicht um Klischees aus dem Zweiten Weltkrieg, sondern um die deutsch-französische Freundschaft, die mit de Gaulle und Adenauer danach begonnen hat und heute mit Macron und Scholz weitergeht. Mein Großvater hat beide Weltkriege miterlebt. Wenn ich mit ihm unterwegs war und er ein Auto mit deutschem Nummernschild sah, sagte er immer: "Pass auf, die bereiten den Vierten Weltkrieg vor." Aber er gehörte zu einer anderen Generation, ich habe die Deutschen ganz anders kennengelernt.
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"Ich gehöre zur Generation Europa"
Wie denn?
Ich war mit 17 das erste Mal im Schwarzwald und habe mit Deutschen und Schweden sogar zusammengearbeitet. Ich gehöre zur Generation Europa und verstehe gar nicht, warum in so vielen Ländern gerade antieuropäische Ressentiments erneut aufkochen.
Ist der Kunstliebhaber im Film dennoch ein Deutscher, wie Sie ihn sich vorstellen?
Ja und nein: Dieser Helmut wie er im Film heißt, hat natürlich eine gewisse Macht, was sich dadurch ausdrückt, dass er einen Porsche fährt. Ich selber liebe Porsche, bin Porsche-Botschafter in Brüssel. Die Deutschen und ihre Autos - natürlich ist das ein Klischee, das im Film vorkommt. Gleichzeitig gibt sich dieser Helmut völlig seinen Gefühlen hin, und das ist etwas, dass man mit einem Deutschen nicht sofort verbinden würde.
Werden Sie Monsieur Claude weiterhin spielen?
Ich glaube, mit dem dritten Teil ist die Geschichte abgeschlossen. Aber wenn Philippe einen vierten Teil plant, werde ich das Drehbuch sicherlich mit großem Interesse lesen. Vielleicht hat er aber auch Lust auf etwas völlig anderes. Auch daran wäre ich dann interessiert.